O-TON: Queer.Art.Marburg.

Queer.Art.Marburg.
9. JUL 2022
SA 14:00 – 22:00 Uhr
RUDOLPHSPLATZ

Gespräch über die Projekte von Queer.Art.Marburg. und KUNSTRASEN mit zuzu creatrix und Elisabeth Liliac der Gruppe Queer.Art.Marburg. und der Organisatorin von KUNSTRASEN, JPG, im Gespräch mit Celica von .KUNST.LABOR.STADT.PLATZ.

Veröffentlicht am 27.06.2022

Am 9. Juli findet auf dem Rudolphsplatz im Kontext des Stadtjubiläums das Festival der Marburger Kreativszene statt: KUNSTRASEN. Dort kommen zwei Formate zusammen, an denen ihr gerade arbeitet. Aufbauend auf dem Workshop Queer.Art.Marburg., den Nils Böttner vom Fachdienst Kultur im November 2021 organisiert hat, habt ihr eine künstlerische Gruppe gebildet. Am 9. Juli werdet ihr am Rudolphsplatz Performances und Installationen umsetzen. Danke dass ihr drei, Elisabeth, Zuzu und JPG heute als ein Teil der Gruppe eure anstehenden Projekte für den Rudolphsplatz vorstellt. Was reizt euch an der künstlerischen Arbeit am Rudolphsplatz und motiviert euch dazu mitzumachen?

JPG: Danke für die tolle Unterstützung und Anbindung an .KUNST.LABOR.STADT.PLATZ! Mein Name ist JPG und ich bin ein eigenes Dateiformat. Ich stehe für die Galerie in Weidenhausen und wurde vom Fachdienst Kultur beauftragt, einen Tag der Marburger Soziokultur ins Leben zu rufen. Ich durfte alle Player_innen der Szene einladen, gemeinsam zu überlegen: Was kann Kunst und Kultur am Rudolphsplatz und am KUNSTRASEN inszenieren und vermitteln? Meine Aufgabe an diesem Tag ist es, das Soziale hervorzuheben. So, dass die ganze Stadtgesellschaft offen und herzlich eingeladen ist. Es ist viel internationale Kunst an den Rudolphsplatz eingeladen und wir wollen in Ergänzung mit KUNSTRASEN auch die Marburger Szene aktivieren.

Da ist es für mich ein besonderes Erlebnis zu sehen, wie das Crossover in enger Kooperation mit der Queer.Art.Marburg. Gruppe gelingt, die großartigerweise einen starken Schwerpunkt an diesem Tag bekommen wird. Nils Böttner hat mit dem Workshop im November letzten Jahres begonnen, Queere Szene und Kunst zu verbinden. Die Workshops sind von der Szene sehr gut angenommen worden und haben viel angeregt. Elisabeth, Zuzu und ich, wir sind alle später in die Arbeitsgruppe gekommen. Seit den Workshops hat sich die Identifikation weiter verstärkt. Jetzt sind viele neue Verbindungen und Verbindlichkeiten der Zusammenarbeit entstanden. Nils und ich sind dabei die Safety Kits, wenn es irgendwo brennt, unterstützen wir!

Zuzu Creatrix: Danke für die Einladung! Ich bin als Künstlerin unterwegs aber auch als Raumgestalterin von unterschiedlichen Workshop- und Veranstaltungsformaten. Mein Künstler_innen-Synonym ist Zuzu Creatrix. Künstlerin ist für mich ein weiter Begriff, ich verstehe darunter auch Lebenskunst. Es umfasst für mich, mein Leben so zu gestalten, dass ich mich entfalten und frei fühlen kann und andere dazu inspiriere, das Gleiche zu tun. Ich bin Körperforscherin und Studiere den Master Psychomotorik und Motologie. Meine Arbeit ist schwerpunktmäßig Körperpsychotherapie, und ich bin Yogalehrerin. Die Verbindung von Kunst und Körper, von Einzelnen und Gemeinschaft, und körperliche Kommunikation ist auch das, was mich in meiner Kunst beschäftigt.

Elisabeth Liliac: Mein Background ist im Bereich Illustration und Storytelling. Ich erzähle Geschichten in unterschiedlichen künstlerischen Medien. Der Schwerpunkt in meinem Projekt am Rudolphsplatz ist Bildung und Aufklärung. Als ich meine eigene Identität entdeckt habe, wollte ich mit anderen darüber sprechen. Dabei habe ich gemerkt, dass viele gar nichts damit anfangen konnten und ich mich immer wieder erklären musste. Ich habe das gerne erklärt. Denn je mehr Menschen etwas darüber wissen, desto weniger blöde Fragen kriegen andere dazu gestellt. Der Bildungsaspekt ist daher für mich wichtig. Auch für mich wäre es einfacher gewesen, früher mehr zu wissen. Unter Heteronormativität leiden nicht nur queere Menschen sondern alle Menschen, daher ist das Wissen für jeden wichtig.

Queer.Art.Marburg. macht die Verbindung von Diversität und Identität mit Gegenwartskunst direkt im Titel zum Thema. Wie spielen künstlerische Praxis und queere Themen für euch zusammen?

Elisabeth Liliac: Vor allem im queeren Kontext ist das Erste an das ich denke: Self Expression! Kunst ist ein Ventil, sich mit Emotionen auseinanderzusetzen. Es ist immer auch ein Konflikt damit verbunden, wenn man feststellt: Ich bin anders als der Rest. Kunst gibt einerseits die Möglichkeit, das zu verarbeiten und andererseits es auch stolz nach außen zu tragen. Ich bin hier, ich bin queer – sozusagen. Damit können andere Menschen inspiriert werden, das Gleiche zu tun oder Denkanstöße bekommen. Was mich persönlich motiviert hat zur Kunst, ist genau das. Ich nutze Kunst zur Verarbeitung und dazu meinen eigenen oder entwickelten Geschichten Ausdruck zu verleihen – Dinge zu erschaffen, die auch anderen etwas bringen.

Zuzu Creatrix: Kunst generell kann für mich Auseinandersetzungen ermöglichen, eine Sichtbarkeit! Sie ist eine Kontaktzone zu mir als Kunstschaffende aber auch zu anderen. Es ist eine Möglichkeit einen Prozess anzustoßen. Für mich ist die Verbindung auch, dass emotionale innere Prozesse nach außen kommen und sichtbar werden.

 

Ihr habt es in Queer.Art.Marburg. geschafft, eine Atmosphäre der Zusammenarbeit zu schaffen, die es euch ermöglicht, euch selbst einzubringen und euch gegenseitig zu unterstützen. Was sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Künstler*innen gut im Kunst- und Kulturbetrieb zu queeren Themen zusammenarbeiten können? Was habt ihr als unterstützend erlebt oder was wünscht ihr euch?

JPG: Ich bin davon überzeugt, dass ein Vertrauensvorschuss immer notwendig ist. Sowohl im Kontext queerer Kunst als auch anderen Projekten. Es muss ein Vertrauen da sein in die Kunst, in die Personen, in die Kulturangebote. Das spiegelt sich sehr eindringlich bei uns in der Gruppe. Wir sprechen über Dinge die uns wirklich angehen, Lebensmodelle, Sexualität, das geht an die Substanz. Dabei sind wir auch offen und gehen in die Öffentlichkeit. Dabei entstanden auch Projekte wie über die queerphobischen Kommentare. Indem man preisgibt, welche negativen Kommentare man schon hören musste, gibt man auch sehr viel über sich preis. Man kann den geschützten Rahmen in der Kunst nutzen, das hat auch mit Vertrauen zu tun. Ein Vertrauensvorschuss ist in einer Gruppe auch Rücksicht und Beziehungsarbeit. Schultern zu stärken ist auch immer wichtig. Das funktioniert hier mit dem Fachdienst Kultur sehr gut: Wer braucht noch etwas? Wie kann man unterstützen? Wer kennt wen? Alle helfen mit und bringen sich mit ein. Wenn man die Schultern stärkt können viele Ideen entwickelt werden. Es ist gut, erst im zweiten Schritt zu schauen, wo man eingrenzen sollte. Ich arbeite oft in neuen Gruppen, aber immer gibt es die Überraschung was Kunst und Kultur alles darf, kann, will und muss!

Zuzu Creatrix: Ich schließe mich an, dass das Vertrauen in der Gruppe mein Projekt unterstützt hat. Gerade FLINTA*Personen und queere Personen ist es wichtig unterstützende Strukturen zu haben und gegenseitig Vertrauensvorschüsse zu geben.

Elisabeth Liliac: Aus meiner Sicht fand ich es hilfreich, positives Feedback zu bekommen. Selbstzweifel gibt es immer in der Kunst. Feedback von anderen hilft dann, gerade in der Arbeit als Gruppe.

 

Bei eurer Arbeit bringt ihr euch auch selbst sehr stark in eure Kunst ein. Zuzu, du hast gesagt, dass du ein Künstler_innen-Pseudonym hast, Elisabeth du machst auch deine eigenen Erlebnisse zum Thema. Wie ist es für euch, wenn eure eigene Identität Teil der künstlerischen Arbeit wird?

JPG: Im Kontext von aller Kunst, aber eben besonders im queeren Kontext, ist mir Respekt besonders wichtig. Ich kooperiere und stelle gerne alles aus: Gerne auch Sex, Drugs and Rock n Roll! Das ist laut und das ist wichtig. Aber ich mache es nie, nur um laut zu sein. Ich stelle nur aus, was auch Substanz hat. So habe ich zum Beispiel einmal unter dem Titel „Safety First“ Bondage-Fotografien von einem Fotokünstler ausgestellt und die Hintergründe vermittelt. Solche Dinge sind mir wichtig. Respekt und Freiheit gehören zusammen. Auch in der Frage, was Kunst für die queere Szene tun kann, gibt es eine Analogie: Kunst ist für mich absolute Freiheit für jeden Künstler, für jede Künstlerin. Das richtige Leben ist für alle wichtig. Und das ist auch wichtig für die Gesellschaft. Kunst kann der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, ähnlich wie Philosoph_innen oder Soziolog_innen das tun! In Queer.Art.Marburg. ist das ein sehr schöner Spiegel, weil wir uns selbst spiegeln. Das ist für mich ein ergreifender Prozess. Auch, da ich noch nicht lange geoutet bin. Egal wer mich in welchem Kontext kennenlernt merkt, dass ich es mir immer erlauben kann, ich zu sein und stolz darauf zu sein. Ich bin ein eigenes Format.

Zuzu Creatrix: Tatsächlich ist es für mich immer wieder eine große Frage: Wie weit bringe ich mich selbst ein? In meiner Arbeit setze ich mich mit FLINTA*-Perspektiven auseinander. Sexualität, Geschlecht und Identität sind dabei  wichtige Themen. Was veröffentliche ich im Zusammenhang mit meiner Person? Oder inwieweit trenne ich das auch von meiner Kunst? Ich komme immer mehr zu dem Punkt, dass es in Ordnung ist, wenn Menschen mich sehen wie ich bin. So wie Lizzy es so kraftvoll sagt, es ist ok wenn negative Kommentare kommen. Es verringert nicht meine künstlerische Arbeit, und es ist ein Prozess mit dem ich mich immer wieder auseinandersetze.

Elisabeth Liliac: Bisher habe ich nicht viele negative Erfahrungen gemacht. Natürlich öffnet man sich und ist dabei dann auch verletzbar. Aber gerade in meinem aktuellen Projekt mit queerphobischen Kommentaren nehme ich genau diese Aspekte als Teil des Kunstwerks auf. Damit wird dann weitergearbeitet. Sogar das negative Feedback führt weiter, es zeigt Wissenslücken und Missverständnisse auf.

 

Elisabeth, dein Projekt arbeitet mit den erwähnten queerphobischen Kommentaren. Wie ist die Idee dazu entstanden und wie arbeitest du mit diesen Kommentaren?

Elisabeth Liliac: Es gibt zwei Projekte von mir. Das eine sind die  priDEmons, gezeichnete und fiktive Figuren. Ich zeichne Dämonen in den Farben von unterschiedlichen LGBTQIA+ Pride-Flaggen. Das ist ein Prozess des Reclaiming von Vorurteilen, wie zum Beispiel, dass queere Menschen in die Hölle kommen würden. Da habe ich gesagt, gut, dann zeichne ich uns als Dämonen als Serie. Zu den Dämonen kommt ein weiterer Aspekt dazu. Es gibt auf Englisch den Ausdruck „Tea“, er wird in der queeren Szene als Begriff für Gossip, also Tratsch, verwendet. Das habe ich in meinen Zeichnungen aufgegriffen und den Dämonen Bubble-Tea in die Hand gegeben. Es ist ein kleiner Hinweis auf die queere Sprache, die erstmal nicht alle verstehen.

Das zweite Projekt heißt „Things not to say – Kommentare zum Überdenken“. Die Idee ist während der Asexual-Awareness-Week entstanden. Ich habe Instagram-Stories gemacht mit Kommentaren, die ich – oder andere Asexuelle, die ich kenne – im Alltag zu hören bekommen. Danach habe ich erklärt, warum diese Kommentare unangebracht und verletzend sind. Von vielen Freund_innen – die nichts mit der queeren Szene zu tun haben – habe ich gehört, dass sie das sehr hilfreich fanden. Sie haben Asexualität dann besser verstanden. Diese Idee wollte ich größer aufziehen und ein Feedback-System hinzuzufügen. Es soll die Möglichkeit geben, auf die Kommentare zu reagieren, nachzufragen – vielleicht auch zu widersprechen. Ein Dialog soll entstehen. Denn ich weiß auch nicht alles, es ist ein Lernprozess.

Die Kommentare aus dem Netz sind mitunter beleidigend und problematisch. Du hast gesagt, es gibt in deinem Projekt Kommentare und Reaktionen darauf. Wie schaffst du es, damit umzugehen, diese Kommentare und ihre Botschaften nicht zu reproduzieren sondern zu kontextualisieren?

Elisabeth Liliac: Ich habe zu jedem Kommentar eine Erklärung geschrieben. Manchmal sind darin zusätzlich auch provokante Fragen entgegnet. Wenn zum Beispiel ein Kommentar kommt wie „Du bist nicht asexuell, du hast nur noch nicht die richtige Person gefunden“, dann schreibe ich einen Text, der das in Frage stellt und Hintergründe erklärt. Zum Beispiel stelle ich dabei auch Fragen zurück: Würde man auch einem heterosexuellen Mann sagen, dass er nicht heterosexuell ist sondern nur noch nicht den richtigen Mann gefunden hat? Ich hoffe, dass bei manchen Zustimmung oder Widerspruch aufkommt.

Wie materialisiert sich diese Idee? Wie wird deine Kunstaktion auf den Rudolphsplatz reagieren?

Elisabeth Liliac: Es gibt die Wände am Rudolphsplatz, an die ungefiltert Meinungen geschrieben werden. Die Flaggen sollen diese Praxis aufgreifen aber anders rahmen, kontextualisieren. Diese Kommentare kommen auf große LKW-Planen. Ich stelle dazu wasserlösliche Stifte zur Verfügung. Es soll vor Ort ebenfalls geschrieben und kommentiert werden. Während der Ausstellung werden davon Fotos gemacht und der Prozess und die Reaktionen werden dokumentiert.

JPG: Das Projekt wird auch langfristig eingesetzt. Wir werden mit dem Marburger Christopher Street Day kooperieren. Dabei trägt das Projekt den Titel „Tabula Rasa. Kommentare Weggewischt“. Es gibt dafür neue Kommentare, neue Reaktionen. Auch mit den FLINTA*-Bühnen arbeiten wir zusammen. Es ist die Idee, dass es keine temporäre Ausstellung ist, sondern eine längerfristige Aktion. Man wird die Banner auch ausleihen können. Es sollen damit auch unterschiedliche Menschen erreicht werden. Die Aktion wird weitergehen.

Solche Kommentare schreiben sich auch im Netz ein, sie sind vorhanden und verletzten. Aber sie bekommen in deiner Arbeit auch in eine Spannung von Dokumentation und Sichtbarkeit im Stadtraum mit der Flüchtigkeit, Prozesshaftigkeit, der abwaschbaren Stifte. Reagiert die Arbeit auf Kommunikationsstrukturen in Sozialen Medien?

JPG: Ich sehe das absolut im Kontrast zu Sozialen Medien. Es ist eine noch weitere Öffentlichkeit dort vorhanden und manchmal kommen nach Jahren noch Aspekte wieder auf. Bei dem Projekt am Platz sind eher wir die jenen, die mit den verschiedenen Schichten arbeiten. Wir haben die Kontrolle, was ich im Kontrast zu den Sozialen Medien sehe. Wir gehen in direkten Kontakt. Es ist ein Aneignungsprozess, wir zeigen, dass wir jeden Kommentar sehen können, aber wir nicht alles so stehen lassen müssen.

Elisabeth Liliac: Ich bin gespannt, wie das Feedback aussehen wird. Im Gegensatz zu den Sozialen Medien, wird man dabei gesehen werden wie man liest, reagiert und schreibt. Deswegen habe ich das Gefühl, dass die Kommentare weniger krass werden als in den Sozialen Medien. Wir haben die Möglichkeit, uns die Kommentare anzueignen. Wir machen sie zum Teil des Projektes. Es ist für mich auch in Sozialen Medien wichtig, Hasskommentare nicht so stehen zu lassen. Vielleicht liest es eine dritte Person. Es ist auch meine Absicht, Menschen anzusprechen, die so etwas zu hören bekommen und manchmal nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Ich finde es wichtig etwas entgegen zu setzen.

Wie kann bei deinem Projekt THINGS NOT TO SAY mitgemacht werden?

Elisabeth Liliac: Im Moment bin ich unter meinem Pseudoynm Elisabeth Liliac auf Instagram zu finden. Eine eigene webbasierte Dokumentation entsteht. Am 9. Juli kann man einfach an den Rudolphsplatz kommen und mitmachen.

 

Am Rudolphsplatz werden viele weitere Installationen und Projekte am 9. Juli stattfinden. Zuzu, was ist dein Projekt für den Rudolphsplatz und Queer.Art.Marburg. am KUNSTRASEN?

Zuzu Creatrix: Mein Projekt ist The_Cave im DEPOT. Das ist der Tunnel unter der Weidenhäuser Brücke. Ich reflektiere den Begriff Yoni. Er kommt aus dem Sanskrit und bezeichnet Vulva, Vagina und Gebärmutter in einem Wort. Ich wollte einen Begriff finden, der einen größeren Raum aufmacht um Geschlechtlichkeit herum, und damit einen Raum als Kunstwerk konstruieren. Daher mag ich diesen Begriff, aber ich setzte mich derzeit noch damit auseinander, ob die Verwendung im Blick auf Kulturelle Aneignung gut gewählt wäre.

Die Idee des entstehenden Projekts The_Cave ist aus meiner eigenen Erfahrung heraus entstanden. Ich bin selbst seit vielen Jahren dabei, mich mit meinem Geschlecht, meiner Identität und Sexualität auseinanderzusetzen. Ich habe begonnen mit Dearmoring zu arbeiten. Es geht um Emotionen die im Körper gespeichert sind. Und auch Erfahrungen schreiben sich in den Körper ein. Beim Dearmoring versucht man diese Emotionen und Erfahrungen wieder zu lösen. Ich habe aus diesem Prozess Soundscapes gemacht. Die sind schon etwas trippy. Elisabeth meinte, die haben Assoziationen an etwas Altes und Archaisches. Ich mag diese Assoziationen aber ich möchte das ganze Thema auch entmystifizieren. Die Auseinandersetzung mit meinem Körper, dem Wissen um Biologie und Gesundheit, ist mir dabei wichtig. Mir geht es in meinem Projekt um eine Einladung an Menschen, neugierig über den eigenen oder anderen Körpern gegenüber zu werden – einen Blick zu wagen. Der Schritt vom öffentlichen Raum des Rudolphsplatzes in die Cave zu gehen, ist dabei schon ein Prozess.

Der Eingang zum Ausstellungsraum wird mit Stoff ausgekleidet in verschiedenen Materialien und Farben. Kennt man den Titel, weiß man, dass es sich dabei um Assoziationen an Geschlechtsteile handelt. Aber visuell soll es nicht explizit sein. Es soll ein Bild von Pluralität werden, daher ist mir die Farbigkeit der Stoffe wichtig. Innen gibt es eine Sound- und Lightscape. Ein Beamer bringt Videos und Wissen ein. An den Wänden gibt es Zeichnungen von anderen Künstler_innen. Auch unterschiedliche Formen von Vulven sollen auftauchen. Dabei denkt man schnell an Binarität, aber die möchte ich überwinden. Es ist aber nicht so leicht Bilder von intersexuellen Geschlechtsteilen zu finden. Die Frage ist auch, wie explizit kann und will ich das entwickeln. Da fangen schon Fragen nach Grenzen des Wissens und Zeigens an. Das ist gerade noch das Thema in der Entwicklung.

Die eigene Erfahrung und Körperwissen auf der einen Seite ist dabei wichtig, aber auch das Wissen anderer über Geschlecht und Identität. So wie es verstanden habe, steht dein Projekt The_Cave zwischen Assoziationen, dem Biologischen und Psychologischen? Das Wissen um diesen Komplex des Geschlechts ist gesellschaftlich häufig tabuisiert. Wie gehst du damit um?

Zuzu Creatrix: Schön, dass du das ansprichst. Wissen ist auch ein Werkzeug für das eigene Empowerment. Das möchte ich mit einweben. In einer Videoprojektion wird es auch Vermittlung von Wissen geben. Zitate aus Büchern und Texten von inspirierenden Menschen. Es wird um die Mischung aus Assoziationen und Wissensvermittlung gehen, die sich an diesem Thema treffen. Das sind zwei Pole zwischen denen ich mich wiederfinde.

Es ist nicht nur ein gesellschaftliches Tabu sondern auch ein Körperteil, das für viele mit Leid verbunden ist, mit Schmerz oder Trauma. Es ist ein tiefes und schweres Thema. In der Situation des Festivals kann das konfrontativ sein. Ich möchte aber auch Empowerment-Geschichten erzählen.

Welche Rolle spielt es, dass du dieses Thema mit The_Cave in den Stadtraum bringst, dass der Ausstellungsraum im öffentlichen Raum ist?

Zuzu Creatrix: Es ist ein besonderes Ausstellungsformat: Mensch geht nicht einfach durch oder spontan daran vorbei. Sondern mensch geht bewusst und in kleinen Gruppen hinein. Mensch kann sich entscheiden, ob man die Ausstellung sehen möchte. Die Schwere soll dabei auch ein bisschen rausgenommen werden und das Thema sichtbar, aus- und besprechbar werden.

Sexualität und Körperlichkeit können ein Motor für das Präsent-sein werden. Da habe ich einen Mut-Vorsprung. Aber es besteht viel Unsicherheit über das Thema. Viele haben das Gefühl nicht richtig zu sein. Das ist ein wichtiges Thema und ich hätte mir gewünscht, als junges Mädchen mehr Informationen zu bekommen. Mir hätte es sehr geholfen, wenn ich eine erwachsene Person gekannt hätte, die sich damit offen auseinandersetzt. Die vielleicht auch kontrovers ist aber Themen überhaupt erstmal anspricht und deutlich macht. Ich hoffe, dass mein Projekt ein Raum zum Austausch wird. Aber ich bin auch neugierig, wie Menschen reagieren werden Das Projekt mit Queer.Art.Marburg. und mit euch allen fühlt sich dabei so sicher an, dass ich weiß, dass es diesen Raum des Austauschs möglich macht.

 

Danke für den Einblick in eure beiden entstehenden Projekte. Welche anderen Projekte wird es in Queer.Art.Marburg. noch geben?

JPG: Es wird weitere grafische Arbeiten geben, die Regenbogen-Identitäten zeigen. Neue Symbole und Sprüche entstehen in zwei Workshops mit der Gruppe: Einmal nachmittags und einmal Abends. In Upcycling Workshops werden nachhaltige Materialien mit diesen Motiven bedruckt. Dazu sind alle eingeladen. Es wird auch Musik geben: Tina Kuhn wird auf der Bühne sein und eigene queer-feministische Songs spielen. Sie bringt auch schwierige Themen in ihre Songs ein und bringt trozdem viele zum tanzen. Am 9. Juli wird es einen Drag-Queen und Drag-King Workshop auf dem Rudolphsplatz geben. Der Workshop ist ein offenes Schmink- und Styling-Angebot. Dabei soll allen die Möglichkeit gegeben werden, sich auszuprobieren, auch über die queere Szene hinaus. Es soll gemeinsam gefeiert werden. Ich habe schon von vielen gehört, die dabei sein werden – schon bevor es losgeht. Das ist einfach Marburg!

 

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