SUSANNE SAKER: O-TON

2. – 19. JUL 2022 Ausstellung
DO 2. JUN 2022 18.00 – 20.00 Uhr Eröffnung

Bettina Pelz im Gespräch mit Susanne Saker.
Publiziert am 5. MAI 2022.

Wann hast du mit dem Fotografieren angefangen?

Mitte der Neunzigerjahre habe ich mir die erste Spiegelreflexkamera, analog und sehr puristisch, gekauft. Sie hatte keinen Automatikmodus, so dass ich mir die Grundlagen Stück für Stück selbst beigebracht habe.

Inzwischen bist du viel unterwegs, immer mit der Kamera dabei. Sind deine Beobachtungen eher zufällig oder reist zu gezielt, um bestimmte Orte in Augenschein zu nehmen?

Das variiert. Wenn ich in Sachen Brutalismus unterwegs bin, z.B. in London, aber auch hier in Marburg, dann gehe ich sehr gezielt vor. Ich mache mir vorher einen Plan, welche Gebäude ich fotografieren möchte. Ich schaue, wo sie genau liegen und suche sie dann gezielt auf. Aber ich liebe es auch mich einfach in den Städten treiben zu lassen und dabei Details zu entdecken, die schnell übersehen werden.

Wie fotografierst du? Analog – digital? Mit der großen Kamera oder mit dem Smartphone?

Inzwischen fotografiere ich nur noch digital, auch wenn ich mir die Grundlagen auf einer analogen Kamera angeeignet und in den späten Neunzigern S/W-Fotos in der Dunkelkammer selbst abgezogen habe. Auf meinen Fototouren habe ich immer beides dabei, die große Kamera und das Smartphone sowieso.

Auf deinem Instagram Account brutal_marburg lässt du uns an deinem Blick auf die Stadt und die Welt teilhaben. Neben den Streifzügen zu den brutalistischen Kubaturen gibt es viele grafische Kompositionen, aber auch visuelle Fundstücke, Street Art und Landschaftsaufnahmen. Wie suchst du aus?

Das kommt ganz auf die Situation an. Manchmal möchte ich einfach ein Bild, das ich für sehr gelungen halte, mit meinen Followern teilen. Manchmal poste ich etwas, das zur aktuellen Lage oder Situation passt. Aber es kommt eben auch vor, dass ich ein Foto mache und es für später aufhebe, um es zu einem bestimmten Anlass zu posten wie z.B. die Weihnachtsdekoration am Heizwerk auf den Lahnbergen.

Du zeigst vor allem Außenaufnahmen aus der Stadt? Was ist der Grund dafür?

Das hat mehrere Gründe. Manchmal sind die Gebäude innen fotografisch weniger spannend. Oft sind die Gebäude aber auch verschlossen und nicht zugänglich. Ich würde z.B. gern einmal das Innere der Hauptpost oder auch das Innere des ehemaligen Hausmeisterhäuschens in der Eisenstraße fotografieren, aber bisher war das nicht möglich.

Welche der Marburger Gebäude interessieren dich? Und warum?

Da ist, wie eben schon erwähnt die Hauptpost, dann die Philfak, aber mein Marburger Favourit ist die Pagode, also das Hörsaalgebäude der Chemie auf den Lahnbergen.

Wie hast du den Schwerpunkt brutalistische Architektur in Marburg entwickelt?

Meine Vorliebe für brutalistische Architektur hat sich in London herausgebildet. Dort gibt es brutalistische Bauten ja förmlich an jeder Ecke. Und auch dort sind sie nicht jedermanns Geschmack. So begann ich mich dann auch hier in Marburg mit den sogenannten Betonmonstern näher zu beschäftigen. Mich fasziniert die Geometrie dieser Gebäude und dass sie durch die Fotografie eine ganz eigene Ästhetik entwickeln.

Hat sich dein Blick verändert, dadurch, dass du dich auf brutalistische Architektur konzentriert hast? Hast du inzwischen auch einen brutalistischen Blick auf andere Baumaterialien?

Ich weiß nicht, ob es ein brutalistischer Blick ist, aber ja, ich nehme die Geometrien moderner Architektur – also auch die der seelenlosen Glasfassaden der heutigen Zeit – anders wahr.

Im Rahmen von KUNST.LABOR.STADT.PLATZ zeigen wir eine Auswahl deiner Fotografien, die Marburg aus brutalistischer Perspektive zeigen, am Rudolphsplatz. Was reizt dich an diesem Standort?

Ich bin ein großer Fan von Kunst im öffentlichen Raum und der Rudolphsplatz ist einer der Orte in Marburg, wo man großflächige Graffiti finden konnte, die über das reine Taggen hinausgehen. Ich bin oft gezielt dorthin gegangen um zu schauen, ob es neue Graffiti gibt.

Wir zeigen deine Arbeiten in einer nicht-klassischen Ausstellungsform, du wirst deine Ausdrucke auf die Betonwände aufbringen. Warum lässt du dich auf dieses Experiment ein?

Es ist eine Herausforderung und ich möchte sozusagen Untergrund und Motiv miteinander verschmelzen lassen, so dass sie eine Einheit bilden.

Seit 2016 gehört ein Teil der brutalistischen Bauwerke von Le Corbusier zum UNESCO-Welterbe. War das für dich ein Anlass, dir die Marburger Gebäude genauer anzusehen?

Nein, in meinem Fall war es ganz klar das Nationaltheater in London, das mich dazu gebracht hat mich fotografisch mit dem Brutalismus zu beschäftigen.

Hast du die Ausstellung „SOS Brutalismus“ 2017/2018 im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt gesehen? An was erinnerst du dich?

Ja, ich fand die Modelle waren eine nette Idee. Aber ich finde das Projekt als Ganzes, vor allem die Online-Datenbank, die im Prinzip jeder mitgestalten kann, sehr spannend und nützlich.

Welche Fotograf_innen empfiehlst du uns, wenn es um die Abbildung brutalistischer Architektur geht?

Natürlich folge ich den in diesem Zusammenhang geläufigen Namen wie z.B. Barnabas Calder oder Simon Phipps auf Instagram, aber die beiden Fotografen, deren Arbeiten ich sehr spannend finde und die ich empfehle, sind Gregor Zoyzoyla und Rory Gardiner.

Anlässlich des Stadtjubiläums veröffentlichst du dein erstes Buch: Herzlichen Glückwunsch! Wie ist es dazu gekommen?

Vielen herzlichen Dank! Nun streng genommen ist es nicht mein erstes Buch, aber mein erster Bildband und das erste, das in einem nichtakademischen Kontext erscheint. Ich wurde ermuntert einen Projektantrag zu stellen und deshalb freut es mich sehr und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass ich im Rahmen des Stadtjubiläums die Chance bekommen habe sozusagen mein persönliches, urbanes Marburg zu zeigen.

MARBURG800 ist nicht nur ein Stadtjubiläum, sondern auch eine große Zukunftswerkstatt für die Stadt Marburg. Dazu fragen wir alle Künstler_innen nach ihren Handlungsempfehlungen für Marburg. Was wäre dein Vorschlag?

Es ist ein Allgemeinplatz, aber ich würde sagen, sich die Zeit für Orte und Themen abseits der bekannten Routen zu nehmen, beobachten und Entwicklungen verfolgen und festhalten.